Kefir am 12. Januar 2010 um 12:39 |  0 Kommentare | Lesezeit: 4 Minuten, 12 Sekunden

Showdown zur Vorratsdatenspeicherung

Am Freitag endet die Frist für Stellungnahmen zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) ist mit dem vorliegenden Entwurf vorwiegend zufrieden, warnt aber vor nachträglichen Änderungen und Zusätzen. Der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) fordert den Schutz des Redaktionsgeheimnisses ein, die Gegner machen mobil.

Am Freitag endet die Begutachtungsfrist für die Novelle zum Telekomgesetz (TKG), in der die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) umgesetzt werden soll.

In Österreich geschieht das mit sichtlichem Unbehagen, im öffentlichen Diskurs zum Thema überwogen bis dato Skepsis und Ablehnung. Zum einen darf bezweifelt werden, dass die Ziele des Gesetzesvorhabens, nämlich Fälle von schwerer Kriminalität bis hin zu Terrorismus aufzuklären oder gar zu verhindern, erreicht werden können.

Skeptisches Österreich
In Zeiten, da Virtual Private Networks, also sicher verschlüsselte Kommunikationssysteme, längst Standard in jedem mittelständischen Unternehmen sind, erscheint es hanebüchen, wenn man die Kommunikation von Schwerkriminellen mit Ein- und Ausgangsprotokollen jener E-Mail-Konten aushebeln will, auf die der Provider eben Zugriff hat.

Die Skepsis, die sich im Übrigen quer durch die österreichische Parteien zieht, hat auch damit zu tun, dass sich eine jahrzehntelang gültige Gesetzeslage mit der Vorratsdatenspeicherung in ihr Gegenteil verkehrt. Was bis jetzt strikt verboten war, nämlich die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten, wird mit Inkrafttreten der Novelle zum TKG zur Pflicht.

Die Verfassungsfrage
Nachdem Brüssel die Umsetzung der Richtlinie mehrfach eingemahnt hatte, entschloss man sich im Verkehrsministerium (BMVIT) zu einem ungewöhnlichen Schritt.

Da die Speicherung sämtlicher Verkehrs- und Geodaten - wann wer mit wem wo telefoniert hat - einen tiefen Eingriff in die Grundrechte darstellt, beauftragte das BMVIT das Ludwig-Boltzmann-Institut mit der Umsetzung.

Auch das geschah mit deutlichem Unbehagen der beteiligten Wissenschaftler und unter dem Hinweis, dass mit dem Umsetzungsvorschlag versucht worden sei, den Grundrechten zu entsprechen. Sicher darüber, ob der Entwurf der österreichischen Verfassung entspreche, sei man jedoch nicht.

Position der WKÖ
Gegenüber der Umsetzung in Deutschland zeigt sich der österreichische Entwurf deutlich entschärft, sowohl was Speicherort und -dauer als auch Datenformate betrifft. Die Wirtschaftskammer, die dem Gesetzesvorhaben bis jetzt ebenfalls mit Skepsis gegenüberstand, arbeitet an einer Stellungnahme.

Rene Tritscher, Geschäftsführer der betroffenen Fachverbände Telekom/Rundfunk sowie UBIT, sieht den aktuell vorliegenden Entwurf "als ausgewogenen Kompromiss", der allerdings noch "punktueller Verbesserungen" bedürfe. Allerdings warne er davor, "nach der Begutachtungsfrist noch Regelungen einzufügen bzw. zu verändern, die zu einer zusätzlichen Belastung der von der Vorratsdatenspeicherung betroffenen Unternehmen führen."

Beispiel Sicherheitspolizeigesetz
Konkret ist damit gemeint, dass eine Wiederholung der Nacht-und-Nebel-Posse rund um das Sicherheitspolizeigesetz von 2007 der Wirtschaft überhaupt nicht gefallen würde.

Die Sicherheitssprecher von ÖVP und SPÖ hatten das Gesetz in letzter Minute noch um einige entscheidende Punkte wie den Zugriff auf IP-Adressen ohne richterlichen Beschluss "ergänzt", um bei Gefahr im Verzug "verirrte Tourengeher" orten zu können. Dann wurde es als letzter Punkt der letzten Nationalratssitzung vor der Weihnachtspause kurz vor Mitternacht verabschiedet.

Evangelische Kirche
Wie zu erfahren war, soll das Thema Vorratsdatenspeicherung auch auf dem Leitungsgremium der Evangelischen Gemeinden in Österreich (AB und H) zur Sprache kommen. Der Evangelische Oberkirchenrat hält am Dienstag eine seiner regelmäßigen Sitzungen ab.

In Deutschland tritt die Evangelische Telefonseelsorge im Rahmen des AK Vorrat gegen Vorratsdatenspeicherung auf. Ein solcher Dachverband von unterschiedlichen Gruppierungen wurde auch in Österreich gegründet.

Als weitere Interessengruppe erklärte der Verband Österreichischer Zeitungsverleger (VÖZ) gegenüber Ress.at, ebenfalls an einer Stellungnahme zur Data-Retention zu arbeiten. Inhaltlich hielt man sich noch bedeckt.

Ende des Informantenschutzes
Gerade für Journalisten steht durch die Vorratsdatenspeicherung eine ihrer Berufsgrundlagen auf dem Spiel. Telefonie lässt sich dann bei heikleren Recherchevorhaben überhaupt nicht mehr benutzen, denn jeder Informantenschutz wird durch vollständige Mitprotokollierung des gesamten Telefonie- und SMS-Verkehrs unmöglich. Das gesamte Informationsnetz eines Journalisten ist nämlich in diesen Datensätzen abgebildet.

Der Österreichische Journalistenclub, dessen Position schon vorliegt, verlangt einen eigenen Paragrafen zum Schutz des Redaktionsgeheimnisses und eine Anhebung der Zugriffsschwelle.

Weitere Stellungnehmer
Die im AK Vorrat Österreich zusammengeschlossenen Gegner des Gesetzesvorhabens veröffentlichten am Montagabend ihre Stellungnahme und riefen "mündige Menschen" dazu auf, ebenfalls ihrer Meinung über das Gesetzesvorhaben Ausdruck zu verleihen.

Am Dienstag finden zwei Informationsveranstaltungen der Kritiker in Wien zum Thema stattt. AK Vorrat und ARGE Daten laden zu einer Podiumsdiskussion samt einer Demonstration, wie einfach die Vorratsdatenspeicherung zu umgehen ist. Die quintessenz erstellt eine Eingabe an das BMVIT im Rahmen einer "Stellungnahme-Werkstatt" mit den Teilnehmern.

Im BMVIT erwartet man das Gros der Stellungnahmen erst für den Freitag. Es sei gerade bei komplexeren Gesetzesvorhaben wie diesem üblich, dass bis zuletzt an den Formulierungen gearbeitet werde.





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