Kefir am 23. Sep. 2009 um 19:21 |  0 Kommentare | Lesezeit: 5 Minuten, 49 Sekunden

Glasfasertechnik für schnelle Breitbandnetze

Über den Ausbau der Breitbandnetze wird derzeit viel diskutiert. Von der österreichischen Öffentlichkeit kaum beachtet, stellen auf der ECOC 2009 im Wiener Austria Center 300 Firmen aus aller Welt neueste Glasfasertechnologien vor. Ein Rundgang auf Europas größter Glasfasermesse zeigt, mit welchen Geräten und Methoden die neuen schnellen Netze aufgebaut werden.


Zitat:
"Sehen Sie den Kompressor hier? Von uns kriegen Sie den nicht. Auch die Glasfaser müssen sie sich anderswo besorgen, und die Kabelmuffen - bedaure ebenfalls. Wir sind hier wohl die einzigen Aussteller, die überhaupt keine Produkte zum Verkauf anbieten"


... sagt Karl Stearns mit einem leichten Grinsen.

Anders als auf all den anderen Visitenkarten, die sich bei einem längeren Rundgang auf der ECOC 2009 im Austria Center ansammeln, steht bei Stearns denn auch nicht "Product Manager", "Sales Director" oder "Account Manager", sondern "Technical Trainer".

Das britische Unternehmen ctts mit Sitz in North Hykeham, Lincolnshire bietet weltweit Trainings für die Verlegung von Glasfaserkabeln an.

Vom Einblasen


Das funktioniert nach etwas anderen Regeln als das Verlegen von Kupferdraht. Mit einer eigens dafür konstruierten Gerätschaft fädelt man ein paar Meter Faserstrang in das bereits verlegte Plastikleerrohr ein und schaltet dann den Kompressor dazu.

Die Druckluft kann das Kabel bis über einen Kilometer weit durch das Rohr transportieren, weil das Kabel von einem Luftpolster umgeben ist, der Reibungsverluste gering hält.



Switching auf Layer eins
Stearns ließ für Ress.at gut 60 Meter Kabel durch das Rohr laufen und erklärte, was es von den Isolierzangen bis zu den Glasfasermuffen, die als Verteiler fungieren, grundsätzlich zu beachten gilt.

Dass nichts geknickt werden darf, versteht sich, doch auch zu enge Radien sind des Teufels, weil Krümmungen aller Art mit Dämpfung und daher geringeren Bandbreiten verbunden sind. Das Switching passiert hier nämlich auf dem (physischen) Layer eins des OSI-Modells.

Knallbunt und grazil
Ein paar Stände weiter, beim Schweizer Hersteller Reichle & de Massari, gibt es einen Gutteil der von Stearns vorgeführten Teile dann sehr wohl zu kaufen. R&M ist auf Verbindungen aller Art spezialisiert, strukturierte Hausverteiler und Splitter, aber auch auf das unscheinbarste Gerät, nämlich die Glasfaserstecker.

Diese knallbunten, grazilen Verbindungsteile haben es technisch in sich, denn die Fertigung ist nicht eben trivial. Federn und Mechanismen müssen die Fasern so zusammenpressen, dass sie einander quasi Auge in Auge sehen. Dabei sind die Fasern für "Single Mode" gerade einmal 8,3 Millionstel Meter stark, an die 100 Prozent des Kabeldurchmessers mache die Ummantelung aus, erklärt Herbert Tisch von R&M.

Street Cabinets, Hausverteiler


Unweit der Schweizer präsentiert Milan Kotacka von der tschechischen Micos die "Street Cabinets" und Hausverteilerschränke für Glasfaser und dazu die passenden Glasfaserswitches und -konverter. Rund um den Stand der Tschechen hört man Französisch, Italienisch, Norwegisch und sogar Griechisch.

Ein Team der TU Athen ist zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Telekommunikation federführend in einem EU-Projekt namens "ICT-BOOM" engagiert.

Demultiplexer, Nanodraht, Resonatoren
Im Rahmen des Projekts werden Komponenten entwickelt, die reichlich esoterische Namen tragen. Da gibt es zum Beispiel einen "Multi-Port Micro-Ring Resonator Demultiplexer" und "Nanodraht-Strukturen höherer Ordnung für integrierte Silicon-on-Insulator"-Systeme.



Fünf mal fünf Millimeter
Sehr verkürzt bis ungefähr vergleichend gesagt: Der
Demultiplexer stellt gewissermaßen das "Empfangsteil" dar, während der Resonatorteil zum Beispiel das Routing nach Lichtwellenlängen besorgen kann.

All diese Bausteine für Glasfaser-Transceiver - also Sender/Empfänger - sind so klein, dass man nur mit der Lupe sieht, dass sich auf diesen glänzenden Oberflächen überhaupt Schaltkreise befinden. Die kleinsten Bauteile in der Vitrine des "BOOM-ICT"-Projekts sind gerade einmal fünf Mal fünf Millimeter groß und einen halben Millimeter hoch.



Bekannt kommen einem höchstens noch die Geräte aus chinesischer Produktion vor. Mindestens ein Dutzend Firmen aus Standorten wie Shenzhen sind auf der ECOC vertreten, dazu kommen weitere zwei Dutzend Stände aus Korea, Japan und Taiwan.

Wuhan, Shenzhen
Auffällig viele chinesische Firmen bieten Hybridswitches bzw. Konverter in allen Varianten an, die allesamt eines gemeinsam haben: Einmal Glas geht hinein, mehrmals CAT-6, mehrmals Glas oder beides zusammen geht hinaus in die örtliche Verteilung.

Von Wien hat Miss Zoey, "International Business Manager" bei HiOSO Technology, neben dem Stephansdom, der Staatsoper (von außen) und dem Austria Center noch nicht viel gesehen, mitgebracht hat sie Ihren Chef und acht verschiedene hybride Switches oder eben Konverter. Es handelt sich "schlicht" um Verteilerswitches für Büros und Haushalte, die über Glasfaseranschlüsse verfügen.

Wuhan Hangong Genuine Optics, nach eigenen Angaben ein "höchst zuverlässiger Hersteller von vertikal integrierten Transceivern", stellt ebenfalls winzige, oben beschriebene Module für Transceiver vor.

Und Österreich?
Unter den 300 Ausstellern konnten wir auf Anhieb die Weizer Firma Triotronik als österreichisches Unternehmen identifizieren - durch eine dezente rot-weiß-rote Umrandung ihres Stands. Noch etwas überhöht wurde das durch ebenfalls dezent gehaltene Landestracht und sichtbare, gekühlte Vorräte von Red Bull und Puntigamer Bier.

Insgesamt hat dieses steirische Mittelstandsunternehmen eine erstaunliche Palette. Sie reicht von der Netzwerkplanung beim FTTH-Ausbau (Fiber to the Home) über die praktische Verlegung von "Flatliner"-Glasfaserrohren, die nur einen schmalen Schlitz im Asphalt benötigen, bis zum Vertrieb eigener und fremder Fiberkomponenten.

Globalisierung
Für die patentierten "Flatliner"-Rohre hat man eine Kooperation mit einer dänischen Firma, gewisse Stecker bezieht man von der Schweizer R&M.

Da bekanntlich alle Fasern immer irgendwo enden und damit die Kommunikation dennoch weitergeht, hat Triotronik unter der eigenen Marke Wirewin an die 30 verschiedene Flatpanel- und Yagi-Antennen für WLAN-Richtfunk (2,4 sowie alle 5-GHz-Bänder) im Angebot. Gefertigt werden viele Komponenten in China, Globalisierung eben.

Epilog
Ein gutes Jahrzehnt davor, im Februar 2000 und die Jahre davor und danach, war das Austria Center Schauplatz der Messe ExpoNet, die von der Besucherattraktion die Oberhand über die eingesessene Wiener ifabo (im alten) Messe-Center gewonnen hatte.

Berichtet wurde damals in futurezone.Ress.at über den Launch von Windows 2000 im Austria Center, noch vor
der CeBIT 2000. WLAN gab es damals als experimentale Installation bei Alcatel.

Das Einzugsgebiet der Messe reichte damals bis nach Süddeutschland, in die Schweiz, nur vereinzelt gab es Aussteller aus slawischsprachigen Nachbarländern.

Vor diesem eigentlich unerwartetem Aufstieg war die ExpoNet im Austria Center Mitte der 90er Jahre eine eher unscheinbare Fachmesse für Netzwerker. Es überwogen die Hersteller und Distributoren von Komponenten wie Kabelführungen, Patchdosen und Modems für ISDN-Leitungen. Lupen, um die eingebauten Komponenten noch sehen zu können, hat es damals nicht gebraucht.

Mehr dazu findest Du auf fuzo-archiv.at





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