Kefir am 08. Januar 2010 um 12:04 |  0 Kommentare | Lesezeit: 10 Minuten, 8 Sekunden

Der schwere Weg zum Langlaufakku

Nicht selten sind Akkus die wahren Schwachpunkte moderner Elektronik. Egal, wie gut ein Gerät auch immer sein mag, wenn die Akkulaufzeit nicht stimmt, ist sein Nutzwert empfindlich eingeschränkt. Daher forscht die Industrie intensiv an Verbesserungen. Den Superakku mit hoher Energiedichte und langer Lebensdauer zu einem günstigen Preis wird es jedoch nicht so schnell geben, meinen Experten.



Sie kommen nicht nur in Handys, DVD-Spielern, Notebooks und Spielekonsolen zum Einsatz, auch der jüngste Hype um Elektrofahrzeuge rückte Akkus wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Speziell das Interesse an der Lithium-Ionen-Technologie nahm in Europa in jüngster Zeit wieder zu.

"Seit zwei, drei Jahren beschäftigt sich die Forschung wieder intensiver damit", so Martin Winter vom Institut für Physikalische Chemie an der Universität Münster gegenüber Ress.at. Die Lithium-Ionen-Technologie habe sich aufgrund der höheren Energiedichte, die eine längere Betriebszeit verspricht, in vielen Anwendungen durchgesetzt. "Zudem haben Lithium-Ionen-Akkus eine Effizienz von 95 Prozent, das heißt: Beim Aufladen gehen 100 Prozent rein und 95 Prozent kommen wieder raus, das ist ein sehr hoher Wirkungsgrad", so Winter.

InfoSo funktioniert ein Akku:
Im Prinzip funktionieren alle Batterien gleich: Chemische Energie wird in elektrische Energie umgewandelt. Hauptbestandteil der Batterie sind die Elektroden (Anode und Kathode), zwischen denen der elektrochemische Prozess abläuft. Diese sind, um einen Kurzschluss zu vermeiden, durch einen Separator getrennt. In den beiden Elektroden wie auch im Separator befindet sich eine leitende Flüssigkeit, das Elektrolyt. Bei der gegenwärtigen Lithium-Ionen-Technologie besteht die Anode zumeist aus einer Graphitmischung und die Kathode aus einer Kombination von Lithium und anderen Metallen.


Lithium-Ionen-Akkus setzen sich durch
In der Vergangenheit kamen bei tragbaren Anwendungen Nickel-Cadmium-Akkus (Ni-Cd) am häufigsten zum Einsatz, bis in den 90er Jahren die Lithium-Ionen- (Li-Ion) und Nickel-Metallhydrid-Technologien (Ni-MH) aufkamen. Beide wollten mit einer besseren Leistung bei einem kleineren Volumen punkten. Mittlerweile setzten sich jedoch die Li-Ion-Akkus durch, da diese leichter und kompakter sind. Laut Experten ist sie auch mittelfristig die aussichtsreichste Batterietechnologie.

Lithium-Ionen-Akkus sind belastungsfähiger als nickelbasierte Akkus. Zudem zeichnen sie sich durch die unkomplizierte Handhabung aus: Im Gegensatz zu Ni-Cd-Akkus sind keine zyklischen Wartungsarbeiten notwendig, es gibt wesentlich weniger Probleme mit der Selbstentladung, und der auftretende Kapazitätsverlust durch häufiges Teilentladen - auch Memory-Effekt genannt - fällt vollständig weg.

Dafür haben Lithium-Ionen-Akkus unter anderem den Nachteil, dass sie, gemessen an ihrer Leistung, teurer als herkömmliche Batterien sind. Zudem ist Lithium hochgradig reaktiv, weshalb die Akkus einer Schutzelektronik bedürfen, um etwa bei Tief- oder Überladung keinen Kurzschluss zu verursachen.

Evolutionärer Baukasten
Das einfache Lade-Entlade-Prinzip der Lithium-Ionen-Batterie erlaube es, eine Vielzahl von Materialien für Anoden und Kathoden als auch Elektrolytlösungen einzusetzen und zu kombinieren. "Im Prinzip handelt es sich um einen evolutionären Baukasten, alles muss probiert werden. Das Experiment macht klug", so Winter. Der Fokus der Forschung liege insbesondere darauf, preiswertere und effizientere Materialien aufzuspüren, damit Akkus kostengünstiger hergestellt werden können.

Das sei auch ausschlaggebend für die künftige Entwicklung: "Der Preis ist entscheidend." Bereits existierende High-End-Technologien hätten eine sehr lange Lebensdauer und würden gute Qualität liefern. "Die Konsumenten sind aber nicht bereit, für etwas mehr zu zahlen, wenn es günstigere Angebote auf dem Markt gibt", erläutert Winter.

Basistechnologie sind Lithium-Ionen
Die Basistechnologie für die Forschung sei weiterhin der Lithium-Ionen-Akku. Der nächste Schritt in der Entwicklung sei der Lithium-Polymer-Akku, so Winter. Bei Polymer-Technologien wird der Flüssigelektrolyt durch Polymere (Kunststoffe) ganz oder teilweise ersetzt.

Ein Vorteil von Lithium-Polymer-Systemen bestehe darin, dass die Akkus nicht mehr auslaufen könnten, da die Batterie-Elektrolyte immobilisiert seien. Reines Polymer habe aber den Nachteil, dass es zu wenig ionische Leitfähigkeit besitze. "Die Ströme in Reinpolymerbatterien sind so klein, dass sie für Mobiltelefone nicht geeignet sind, wie bei GSM, wo mit hohen Energieimpulsen gearbeitet wird", erklärt der Experte.

Folienbatterien in Handys
Derzeit hätten sich bei Handys Folienbatterien durchgesetzt, die auch Polymer-Akkus genannt würden. "Hier wird auf ein festes Gehäuse verzichtet und dafür eine metallbeschichtete Folie verwendet", wobei nur die "Verpackung" aus einer polymeren Folie bestünde. Die Vorteile seien, dass der Akku weniger wiege, kostengünstiger und leichter in der Herstellung und vor allem auch beliebig formbar sei – bei Handys etwa flach-prismatisch. Der Nachteil: Die Batterie verfüge dafür über keine mechanische Stabilität mehr.

"Bei Laptops werden Lithium-Ionen-Akkus mit zylindrischem Gehäuse verwendet", so Winter. Die Rundzellen hätten sich aus Platzgründen nicht für Handys geeignet, weshalb die Folienbatterien entwickelt wurden. "Nachdem es die zylindrischen vor den prismatischen Zellen gab und diese sich bei den tragbaren Computern bewährt haben, gibt es auch keinen Wechsel zu Polymer-Akkus", sagt Winter.

Konsumverhalten
Für Winter sind die aktuellen Technologien für viele Anwendungen bereits gut genug. "Die Lebensdauer eines Handyakkus passt zum Konsumverhalten der Menschen. Die meisten Handyakkus halten je nach Benutzerprofil ein bis drei Jahre, dann bekommen die Kunden sowieso ein neues Handy vom Provider." Und die Hersteller würden weiter darauf achten, "halbwegs neuartige Technologie zu einem guten Preis anzubieten".

"Hergestellt werden die meisten Akkus in China", erklärt Winter, "zumeist händisch oder semihändisch." Momentan würden dort die Zellen immer noch um die Hälfte günstiger hergestellt werden als in anderen Ländern, wobei jedoch auch die händische Herstellung die Qualität beeinflusse. "Maschinen arbeiten einheitlich und sauber, sind aber teuer", so Winter, "der Faktor Mensch ist hingegen fehleranfälliger."
Gratwanderung

Auch Valentin Trummer, Sprecher von Österreichs größtem Computerhersteller Quanmax (Gericom), sieht "den Preis als generelles Problem in der Branche". Lithium-Polymer-Akkus hätten zwar eine höhere Energiedichte und würden damit eine längere Laufzeit bringen, "aber sie sind so teuer, deshalb sind sie nicht in jedem Notebook zu finden", so Trummer.

"Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Mobilität und Leistung, auch als Notebookhersteller." Etwa fünf Prozent des "Straßenpreises" mache der Akku beim Kauf eines Notebooks aus. Wann mit dem nächsten substanziellen Entwicklungsschritt bei den Akkus zu rechnen sei, konnte Trummer nicht beantworten: "Gerade die Akkuhersteller sind die Technologietreiber." Das Linzer Unternehmen stellt die Batterien nicht selbst her, sondern bezieht diese als fertigen Bauteil aus Asien.

Fünf Jahre: Ein Ausblick
Walter Toriser, Professor a. D. am Institut für Sensor- und Aktuarsysteme der TU Wien, sieht die Entwicklung etwas vorsichtiger: "Bei Handys wird der große Sprung zu einer wesentlich besseren Technologie nicht stattfinden."

In fünf Jahren, so schätzt der Wissenschaftler, würde die Entwicklung so weit sein, dass trotz höherer Energieaufnahme die Akkus unterm Strich um 30 Prozent mehr Leistung bringen würden. Dafür würde der Lithium-Polymer-Akku hergestellt aus mittelklassigem Material aber auch etwa fünf Jahre halten.

Elektrofahrzeuge treiben Forschung voran
Der größte Feind des Akkus sei die Hitze, so die Experten einhellig. Die Wärmeentwicklung sei auch bei Akkus für Elektrofahrzeuge eine große Herausforderung. "Mit dem Elektrofahrzeuge-Hype wird in der Automobilindustrie viel Geld in Forschung investiert", sagt auch Stefan Koller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Chemische Technologie von Materialien der Technischen Universität Graz.

Der Wissenschaftler ist der Meinung, dass das Entwicklungspotenzial bei den Lithium-Ionen-Akkus "am meisten Sinn ergibt und in den nächsten fünf Jahren eine Steigerung um 60 Prozent an Energie pro Gewicht möglich ist".

InfoDie TU Graz ist Mitglied des europäischen Forschungsinstituts für Lithium-Ionen-Batterien-Forschung Advanced Lithium Energy Storage System (ALISTORE). Gemeinsames Ziel ist der Wissensaustausch, die Umsetzung von EU-Förderprojekten und vor allem die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten. Die Forschung wird aufgeteilt, indem es für jeden Themenbereich einen Spezialisten gibt. Die TU Graz ist auf die Materialforschung im Bereich der negativen Elektroden spezialisiert.

Das Wissenschaftskonsortium ALISTORE betreibt neben der Weiterentwicklung der Akkus primär Grundlagenforschung, das heißt, es wird hauptsächlich nach Verwendung neuer Materialien gesucht. Die praktische Umsetzung erfolgt durch die Industrie.

Auch Wirtschaftsallianzen wie etwa das Joint Venture SB LiMotive Co. Ltd. von Bosch und Samsung und Varta Microbattery und VW forschen intensiv an der Weiterentwicklung von Lithium-Ionen-Akkus für den Einsatz bei Fahrzeugen.


Doppelte Energiedichte in rund 20 Jahren
"Seit Sony den ersten Lithium-Ionen-Akku 1991 auf den Markt brachte, hat sich die Energiedichte verdoppelt", erklärt Koller. Dennoch bremse die Akkutechnologie den Fortschritt, denn die Anforderungen an die Batterien hätten im selben Zeitraum so stark zugenommen, dass sie nicht durch die neuen Entwicklungen hätten kompensiert werden können.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, forscht auch die TU Graz an Lithium-Ionen-Akkus. Erst kürzlich konnten Wissenschaftler der TU eine neue Produktionsmethode als Patent anmelden. Koller, der im Rahmen seiner Dissertation als wissenschaftlicher Mitarbeiter beteiligt war, erklärt die Methode folgendermaßen:

Prinzip Lithium-Ionen-Akku
"Das Prinzip der Lithium-Ionen-Akkus ist, dass sie zwei Elektroden beinhalten, die Lithium-Ionen speichern können. Die Elektroden machen das bei einer unterschiedlichen Spannung – beim Aufladen wandern die Lithium-Ionen durch einen Elektrolyt in eine Richtung, beim Entladen wandern sie zurück. Die aus der Spannung gewonnene Energie hängt davon ab, wie viel Lithium-Ionen sie rausziehen können."

Als Standard werde - für die Anode - derzeit als Trägermedium Graphit verwendet, das "pro sechs Kohlenstoffatome ein Lithium-Ion aufnehmen kann". Das ergebe theoretisch eine Speicherkapazität von 372 mAh/g (Milliamperstunden/Gramm). Silizium habe den Vorteil, dass es 4,4 Lithium-Ionen pro Silizium-Atom aufnehmen könne, "das sind mehr Lithium-Ionen als Speichermaterial". Theoretisch ergebe das eine Speicherkapazität von 4.200 mAh/g.

Problem gelöst
Die Forscher hatten jedoch das Problem, dass sich das Silizium stark ausdehnt, wenn es Ionen aufnimmt. "Während Graphit eine Dehnung von zwölf Prozent hat, liegt diese bei Silizium bei 200 bis 300 Prozent", so Koller. "Silizium ist zudem sehr spröde, das heißt, wenn es sich ausdehnt, bricht es."

Die Wissenschaftler lösten das Problem, indem um den Graphitkern eine Siliziumschale gelegt wurde und der Vorteil des Siliziums, mehr Lithium aufnehmen zu können, genutzt werden konnte. Der Graphit verhindert hingegen wieder, dass sich das Silizium zu sehr ausdehnt.

Günstig, aber nicht perfekt
Der Superakku wurde damit aber jedoch noch nicht erfunden. Denn der Nachteil der Methode sei, dass die Lebensdauer des Akkus durch die Verwendung von Silizium geringer sei. "Das reicht für Handys oder Laptops, aber nicht für größere Anwendungen", wie Elektroautos etwa. Die Energiedichte lasse sich im Vergleich zu derzeit gebräuchlichen Systemen so zwar verdoppeln, das Problem der Lebensdauer sei damit aber nicht gelöst.

Diese Technik sei jedoch weit günstiger als bisher bekannt, bei denen das Silizium aus der Gasphase abgeschieden werde. "Eine Herausforderung bleibt die schlechte Speicherdichte der Materialien in der Gegenelektrode, aber auch daran forschen wir bereits intensiv“, erläutert Koller.

Bolivien: Saudi-Arabien des Lithiums
Wie sehr die Industrie und allen voran die Fahrzeughersteller auf Lithium-Ionen-Akkus setzen, zeigt auch das starke Interesse an den entsprechenden Rohstoffen. Geschätzte 50 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen werden im Südwesten Boliviens vermutet. Laut einem Bericht der "New York Times" ("NYT") vom Februar vergangenen Jahres stehen Konzerne aus Europa und Asien um Schürfrechte und Lieferverträge für das seltene Metall Schlange.

Die Regierung unter dem Staatspräsidenten Evo Morales und die Bergbaukooperativen des Landes scheinen sich über die Bedeutung des Metalls für die Zukunft bewusst zu sein, denn "wir wissen, dass Bolivien das Saudi-Arabien des Lithium werden kann", zitierte die US-Zeitung den Sprecher einer Kooperative.

Mehr dazu findest Du auf fuzo-archiv.at





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