Kefir am 17. Januar 2010 um 12:53 |  0 Kommentare | Lesezeit: 7 Minuten, 3 Sekunden

ALOHANET: Das drahtlose Internet wird 40

1970 hat der Netzwerkpionier Norman Abramson einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er ein paketvermitteltes Funknetzwerk beschrieb, mit dem verschiedene Standorte der Universität von Hawaii an den Zentralrechner in Honolulu angebunden werden sollten. Er setzte damit eine Entwicklung in Gang, die auch heute noch die Grundlagen der Netzwerktechnik bestimmt.

In Österreich gehört der Internet-Zugang über einen mobilen Breitbanddienst schon zum Alltag. Laut der letzten großen Nutzungsstudie der Regulierungsbehörde RTR vom Mai 2009 gingen zuletzt 27 Prozent der heimischen Breitbandnutzer über einen mobilen Anschluss ins Netz. Dass "Breitband" dabei lediglich "schneller als 144 KBit/s" bedeutet, soll an dieser Stelle einmal keine Rolle spielen, denn es sei hier ein Blick in die Vergangenheit der drahtlosen Computernetzwerke geworfen.

Der Anlass dafür ist, dass sich 2010 die Veröffentlichung jenes wissenschaftlichen Artikels zum 40. Mal jährt, in dem der US-Informatiker Abramson den Aufbau des ALOHANETs beschreibt, des wohl einflussreichsten drahtlosen Computernetzwerks.

Startpunkt 1970
Sowohl die englischsprachige als auch die deutschsprachige Wikipedia nehmen das zum Anlass, auch die Inbetriebnahme des ALOHANETs auf 1970 zu legen. Sie berufen sich dabei wohl auf Hobbes" Internet Timeline, in der auch 1970 als Startpunkt ("becomes operational") für das Netz angegeben ist.

Allerdings schreibt Abramson selbst in einem Aufsatz von 1985, dass die erste Station für den paketvermittelten Datenfunk "nach den üblichen unerwarteten Verzögerungen im Software-Bereich" erst im Juni 1971 ihre Arbeit aufnehmen konnte.

Die Ausgangssituation
Abramson und sein Team von der Universität Hawaii hatten die Arbeit am ALOHANET bereits im September 1968 aufgenommen. Den entscheidenden Schub erhielt das Projekt jedoch dadurch, dass Bob Taylor, der bis 1969 das Information Processing Techniques Office (IPTO) der US-Forschungsagentur ARPA geleitet hat, kurz vor seinem Ausscheiden aus der Organisation noch Mittel zum Aufbau des Funknetzwerks bewilligte, wie Katie Hafner und Matthew Lyon in "Where Wizards Stay Up Late" (1996) schreiben.

Das ALOHANET sollte ein Forschungsnetzwerk werden, das sieben Standorte der Universität Hawaii auf den Inseln Oahu, Kauai, Maui und Hawaii über Datenfunk im UHF-Band verbinden sollte.

Es sollte möglich sein, sich von den externen Standorten am Multi-User-System, einer IBM 360/65, auf dem zentralen Campus der Universität einzuloggen - und zwar von allen externen Terminals gleichzeitig. Daraus ergab sich auch die sternförmige Netzwerkarchitektur des ursprünglichen ALOHANETs mit dem Campus nahe Honolulu als Zentrum.

Dem System wurden zwei 100-KHz-Kanäle zugewiesen, einer auf 407.350 MHz und einer auf 413.475 MHz, die Terminals konnten mit einer Geschwindigkeit von 9.600 Bit/s mit dem Zentralrechner kommunizieren.

Ein Elf als IMP
In seinem Standardwerk "Computer Networks" beschreibt Andrew S. Tanenbaum die zentrale Innovation des ALOHANETs, die laut Abramson bereits auf einer frühen Projektsitzung 1969 aufgekommen war: Die Terminals hatten keine exklusive Verbindung mit der Zentrale, und die User konnten über eine gemeinsam genutzte Frequenz ohne Kontrolle der Zentrale ihre Daten senden, wann immer sie wollten (anstatt beispielsweise für jede Verbindung eine Punkt-zu-Punkt-Kommunikation über eine eigene Frequenz einzurichten).

Die Kommunikation im Netzwerk lief in Datenpaketen von normierter maximaler Größe ab, die ruhig miteinander kollidieren oder durch Funkstörungen zerstört werden konnten. Passierte ein Fehler, sendete das System nach einem per Zufallsgenerator ermittelten Zeitraum die Daten einfach nochmals - so lange, bis die Übertragung vollständig war.

Der Paketempfang
Die Pakete wurden auf dem zentralen Campus von einem Rechner vom Typ HP 2115A in Empfang genommen, der dem Zentralcomputer als Router vorgeschaltet war. Der HP-Rechner wurde vom ALOHANET-Team auf den Namen Menehune getauft, "einem Elf aus der hawaiianischen Legende", wie Abramson in seinem Aufsatz von 1970 schreibt.

Als Vorbild für Menehune diente der legendäre Interface Message Processor (IMP), die schrankgroßen ersten Router im Internet-Vorgänger ARPANET. Wie die IMPs, so war auch der Menehune für die Organisation des Datenverkehrs verantwortlich. Aufseiten der Terminals wurden die Datenpakete von einfacheren Terminal Control Units (TCUs) geschnürt und weitergegeben, die über eine RS232-Schnittstelle an die Clients angebunden waren.

"Slotted ALOHA"
Eine Synchronisation des Datenverkehrs gab es im ursprünglichen ALOHANET nicht. Wie Tanenbaum schreibt, schlug Netzwerkpionier Lawrence "Larry" G. Roberts 1972 vor, den Datenverkehr im ALOHANET nach einem synchronisierten Zeittakt ablaufen zu lassen.

Damit könnten Kollisionen von Datenpaketen minimiert und die Kapazität des Netzwerk verdoppelt werden. Diese Methode wurde als "slotted ALOHA" bekannt, um sie von der ursprünglichen ("pure ALOHA") abzugrenzen.

In den frühen 1970er Jahren begann sich das 1969 gestartete ARPANET auszudehnen. Abramson und sein Team waren natürlich daran interessiert, ihr Netz an den Internet-Vorläufer anzuschließen und ihre Methoden in der Kommunikation über Satellit auszuprobieren.

Abramsons List mit der Liste
Roberts, Taylors Nachfolger an der Spitze des IPTO, unterstützte das Projekt nicht nur mit eigenen Ideen, sondern auch mit Geld. Abramson schildert in seinem Aufsatz von 1985, wie er "irgendwann im Jahr 1972" in Roberts" Washingtoner Büro vorbeischaute, um mit ihm Verwaltungsangelegenheiten zu besprechen.

Als Roberts kurzfristig aus dem Zimmer gerufen wurde, blieb Abramson allein zurück und sah, dass auf einer der Tafeln im Büro eine Liste mit den Institutionen stand, die im Lauf des nächsten halben Jahres einen IMP und damit einen Anschluss ans ARPANET erhalten sollten, inklusive der exakten Installationsdaten.

Anbindung via Satellit
Da Abramson ohnehin mit Roberts über die Anbindung seines Funknetzes ans ARPANET via Satellit sprechen wollte, griff er kurzerhand zu einem Stück Kreide und schrieb sein Projekt mitsamt dem soeben erfundenen Installationsdatum 17. Dezember mit auf die Liste.

Als Roberts zurückkam, ging die Diskussion weiter, aber die Anbindung ans ARPANET wurde nicht mehr besprochen, und Abramson vergaß seine Notiz auf der Tafel. Umso größer war die Überraschung, als einige Monate später, Anfang Dezember 1972, ein Anruf in Abramsons Labor einging. Die IMP-Installateure waren dran und baten darum, in den Räumlichkeiten Platz für das frühe Router-Dickschiff zu machen. Pünktlich am 17. Dezember 1972 traf der IMP dann ein, und das ALOHANET konnte an die Welt des ARPANETs angebunden werden.

PACNET
"ALOHANET hatte die erste kommerzielle Satellitenanbindung, in der ein einzelner Sat-Sprachkanal dazu verwendet wurde, Daten mit einer Geschwindigkeit von 56 KBit/s zu übermitteln", erinnerte sich Abramson. Allerdings sei diese Verbindung eben noch nicht paketvermittelt gewesen.

Diese Möglichkeit kam erst 1973, als sich das ALOHANET mit dem Ames-Forschungszentrum der NASA, der Universität von Alaska, der Universität von Sydney und zwei japanischen Universitäten über den Satelliten ATS-1 zum Forschungsnetzwerk PACNET zusammenschloss. PACNET erreichte Übertragungsgeschwindigkeiten von 9.600 Bit/s im "klassischen" ALOHA-Verfahren, wobei für damalige Verhältnisse preisgünstige Funkbodenstationen verwendet wurden.

Das Erbe des ALOHANETs
Die Protokolle und Ideen, die im ALOHANET rund um das Prinzip der paketvermittelten Datenkommunikation entwickelt wurden, stecken auch heute noch in jedem Computer.

Verantwortlich dafür ist Robert Metcalfe, laut Abramson "wahrscheinlich der erste Mensch, der den Unterschied zu schätzen wusste, der zwischen den leitungs- und paketvermittelten Netzwerken einerseits und der Broadcasting-Architektur des ALOHA-Systems bestand". Metcalfe behandelte das Thema in seiner Dissertation an der Universität Harvard und ging auch nach Hawaii, um mit dem ALOHA-Team zu arbeiten.

Im Forschungszentrum von Xerox im kalifornischen Palo Alto (PARC) arbeitete man damals an einem revolutionären Konzept für einen Arbeitsplatz-PC, dem Alto. Metcalfe wurde damit beauftragt, ein Netzwerksystem für den Alto zu entwerfen.

Ethernet
Dabei griff er auf seine Erfahrungen mit dem ALOHA-System zurück, nur dass die Datenübertragung bei ihm über Kabel ablief, wesentlich schneller war und auch eine Kollisionserkennung hatte.

Im Mai 1973 taufte Metcalfe sein System auf den Namen Ethernet. Auch der Netzwerkadapter in den modernsten PCs funktioniert auf Grundlage der Ethernet-Technologie. Das kleine Funknetz, das Abramson und sein Team sich vor 40 Jahren auf Hawaii ausgedacht haben, strahlt also sehr weit in die Computergeschichte aus.

2010 gibt es übrigens noch ein Jubiläum in Sachen Drahtlosnetzwerk zu feiern. Pünktlich zum 1. April 1990 veröffentlichte David Waitzman von Bolt, Beranek and Newman den legendären RFC 1149 mit dem Titel "A Standard for the Transmission of IP Datagrams on Avian Carriers", der die Übertragung von IP-Datenpaketen mittels Brieftauben beschreibt.

2001 schafften es norwegische Enthusiasten, RFC 1149 mit Unterstützung von vier Brieftauben und OCR-Software auf Linux umzusetzen. Die Ping-Antwortzeiten betrugen allerdings laut Dokumentation bis zu 6.389 Sekunden.

Mehr dazu findest Du auf fuzo-archiv.at





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