schaf am 14. Mai 2014 um 11:37 | Lesezeit: 4 Minuten, 33 Sekunden

Das muss man über das Google-Urteil wissen

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Das EU-Gericht verpflichtet Google künftig zur Löschung von Suchergebnissen. Kann man damit nun peinliche Partyfotos aus dem Netz verbannen?

Hier mal die Wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Urteil, erklärt durch die Experten - Rechtsanwalt Martin Steiger & Francis Meier :

Wie kam es zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs?
Ein Spanier hatte 2010 eine Beschwerde gegen Google eingereicht: Suchte man mit Google nach seinem Namen, erschienen zwei Zeitungsartikel, die über die Zwangsversteigerung seines Hauses berichteten. Diese hatte 1998 stattgefunden. Da die Informationen nicht mehr relevant sind, verlangte er, dass diese gelöscht werden. Der Fall landete am Europäischen Gerichtshof.

Bisher argumentierte Google bei solchen Beschwerden, dass in seinen Datenbanken die unterschiedlichsten Daten gesammelt werden und der Suchdienst nur der Übermittler der Information, nicht aber der Herausgeber sei. Mit dem Urteil vom Dienstag widerspricht der EuGH dieser Auffassung: Nach Ansicht des Gerichts ist künftig nicht nur der Betreiber einer Website für die Inhalte verantwortlich, sondern auch der Suchmaschinenbetreiber, der personenbezogene Daten erfasst und verarbeitet.

Kam dieser Entscheid überraschend?
"Für uns war klar, dass Anbieter von Suchmaschinen Personendaten bearbeiten und daher den damit verbundenen datenschutzrechtlichen Pflichten unterliegen. Der EuGH hat dies nun bestätigt", sagt Francis Meier, Informationsbeauftragter des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten.

Was für Konsequenzen hat das Urteil?
"Es stärkt die Persönlichkeitsrechte der Userinnen und User, indem es dem Einzelnen die Durchsetzung des Rechts auf Vergessen erleichtert", sagt Meier.

Google löscht regelmäßig Ergebnisse aus seiner Suche, die auf illegale Inhalte verweisen oder gegen ein Urheberrecht verstoßen. Neuerdings könne jeder Bürger, vor allem wenn er keine Person des öffentlichen Lebens ist, die Löschung der Links beantragen, wenn sie sich auf veraltete oder irrelevante Informationen bezögen, entschied der EuGH im Grundsatzurteil.

"Es ist in erster Linie ein Urteil gegen den Konzern Google", sagt der IT-Rechtsanwalt Martin Steiger. Denn: Eigentlich gehe man gegen den Überbringer der "schlechten Nachricht" vor. "Die Inhalte kommen ja nicht von Google, sondern die Suchmaschine stellt lediglich die Links zu den Inhalten zur Verfügung", sagt Steiger. Die Gefahr sieht er darin, dass künftig weniger Suchergebnisse angezeigt und damit die Suche im Internet schlechter wird. Ebenfalls birgt das Urteil Potenzial für Missbrauch: Betrüger, die im Netz andere abzocken, könnten künftig versuchen die Berichterstattung über die eigene Person einzudämmen.

Kann ich künftig vor dem Bewerbungsgespräch peinliche Partyfotos löschen lassen?
Ein Freipass zum Löschen unliebsamer Informationen ist das EuGH-Urteil nicht. Doch: "Die Chancen für die Löschung einzelner Einträge steigt damit an", sagt IT-Anwalt Steiger. Je länger die Daten im Netz seien, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass diese gelöscht würden. "Wenn man am Wochenende an einer Party war, kann man aber nicht am Montag beantragen, dass die Links zu den vielleicht peinlichen Partyfotos gelöscht werden", so der Experte. "Ist man aber bereits 35 Jahre alt und findet mit dem eigenen Namen immer noch alte Jugendsünden im Netz, dann stehen die Chancen gut", sagt Steiger.

Ab wann genau ein Recht auf Vergessen besteht, hat das Gericht nicht thematisiert. Hier muss der Suchmaschinenanbieter künftig auf Antrag betroffener Personen eine Einzelfallentscheidung treffen - je nach Relevanz kann das öffentliche Interesse am Zugang zu Informationen überwiegen.

Wie kann ich eine Löschung beantragen?
Der Gerichtshof stellt klar, dass Löschanträge unmittelbar an den Suchmaschinenbetreiber gerichtet werden können. In welcher Form dies geschehen soll, bleibt offen. Der Betreiber muss dann die Anträge prüfen und kontrollieren, ob sie begründet sind. Gibt der für die Verarbeitung Verantwortliche den Anträgen nicht statt, kann sich die betroffene Person an die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht wenden, heisst es weiter.

Gilt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch für die Schweiz?
Rein rechtlich betrachtet gilt es nur für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Aber man geht jedoch davon aus, dass Google die neue Praxis auch in der Schweiz umsetzt, da es ein vergleichbares Datenschutzrecht gibt.

Was sagt Google?
Für den Suchmaschinenriesen ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein Albtraum. Gegenüber 20 Minuten sagt ein Sprecher von Google: «Die Entscheidung ist nicht nur für Suchmaschinen, sondern auch für alle, die Inhalte online publizieren, enttäuschend.» Man sei sehr überrascht, dass das Urteil so stark von den vorherigen Einschätzungen des Generalanwalts abweiche und dessen Warnungen und aufgezeigte Konsequenzen unberücksichtigt lasse.

Im letzten Juni hatte der Generalanwalt Niilo Jääskinen gesagt, die EU-Datenschutzrichtlinie enthalte kein allgemeines "Recht auf Vergessen". Demnach seien die Betreiber von Suchmaschinen nicht für persönliche Daten verantwortlich, die auf Websites Dritter auftauchten und von den Suchmaschinen erfasst würden. Zum Abschluss betont Google, dass nun Zeit benötigt werde, um die Auswirkungen des Urteils zu analysieren.

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