Kefir am 31. Dez. 2009 um 13:27 |  0 Kommentare | Lesezeit: 4 Minuten, 30 Sekunden

2009 - Jahr der gescheiterten Gadgets

2009 war ein hartes Jahr. Zwar wiesen Schwergewichte der IT-Branche wie IBM, Apple, Microsoft und Google auch in diesen mageren Zeiten noch ein solides Wachstum auf, aber auf unserem Lieblingsmarkt - dem für Gadgets - herrschte tiefe Ödnis. Es sei denn, man hatte auf die tausendste Iteration eines Mini-Notebooks mit Schminkspiegelbildschirm und Atom-Prozessor gewartet. Lasset uns gähnen.

Beispiel eins: Tablet Computing. Auch wenn die geschätzt 500.000 Gadget- und Apple-Gerüchteblogs sich das ganze Jahr über eifrig bemühten wie kleine Frankenstein juniors mit gut geladenen Defibrillatoren: Es wollte einfach nicht auferstehen, das Apple-Tablet. Dabei wurde es mit allen Mitteln der Schwarzen Magie immer wieder heraufbeschworen: dunkle Computergrafik-Thaumaturgen fabrizierten täuschend echte 3-D-Simulationen, gnomenhafte Analysten gruben absurde Patente und Zulieferer aus vergessenen Archiven, aber er materialisierte sich nicht, der dunkel glänzende Monolith.

Vielleicht springt ja Microsoft ein und baut eine handlichere Couchtisch-Version seines Multitouch-Tablets "Surface". Der Konzern versucht ja schon seit den frühen 1990er Jahren, den Usern die Tastatur abzugewöhnen. So richtig erfolgreich war Windows 3.1 for Pen Computing allerdings nicht. Auch die Tablet-Rechner der XP-Ära konnten sich - trotz anständiger Soft- und Hardware - nie beim breiten Publikum durchsetzen, wahrscheinlich wegen der hohen Preise.

Zumindest dieses Problem könnten die bereits angekündigten Tablet-Netbooks mit berührungssensiblen Bildschirmen und den Multitouch-Fähigkeiten von Windows 7 aus der Welt schaffen. Nur einen Einsatzbereich müssten sich die Eigentümer der Geräte dann noch erschließen, zum Beispiel als Multitouch-Bierseidel für ein Designergelage am "Surface". Andererseits reicht einigen wenigen Genies ja schon ein iPhone, um damit kleine Meisterwerke zu zaubern.

Ein Crash mit dem CrunchPad
Auch die Initiative von TechCrunch-Boss Michael Arrington, der mit dem CrunchPad einen billigen und simplen Tablet-Rechner mit Touchscreen-Bedienung für den gediegenen Sofasurfer auf den Markt bringen wollte, ist 2009 gescheitert. Der Hardware-Projektpartner FusionGarage aus Singapur bootete Arrington schlichtweg aus, warf das Produkt für 499 US-Dollar auf den Markt - ursprünglich geplant war ein Verkaufspreis von 200 Dollar - und beraubte sich damit jedweder Chance auf einen Markteintritt über die coole Gründerszene Kaliforniens. Dass das Gerät mit "JooJoo" auch noch auf einen Web-2.0-Namen von vorletzter Saison getauft wurde, wird dem Absatz ebenfalls nicht auf die Sprünge helfen.

Leider wird auch auf diesem Gebiet wohl wieder Steve Jobs kommen müssen, um der Branche zu zeigen, wo es langgeht. Und das Tablet wird bei Apple nicht 200 Dollar kosten, sondern eher 1.000 - für uns Europäer natürlich in Euro. Allein: Es will einfach nicht erscheinen, das Apple-Tablet. Eine echte Lose-Lose-Situation, wie PowerPoint-Man sagen würde.

"Ich bin ein Handy" - "Ich bin ein PC"
Beispiel zwei: das Handy als PC. Nimmt man gewisse Parallelen in der Entwicklung von Personal Computing und Mobiltelefonie an, wartet die Welt nun auf einen frei konfigurierbaren Taschencomputer mit UMTS-Fähigkeiten. Also auf ein offenes Gegenstück zum iPhone, bei dem der Besitzer bestimmt, welches System und welche Software darauf laufen, und zwar ohne Jailbreak-Gehampel. Das bisher einzige wirklich offene Projekt, nämlich FreeRunner/OpenMoko, hat 2009 die Unterstützung seines wichtigsten Sponsors FIC verloren und ist damit zumindest Hardware-seitig erledigt.

Aber auch der Superstarkonzern Google und seine Mobilfunkpartner haben mit Android bisher zu viele Fehler gemacht. Android ist zwar eigentlich ein Linux, aber kaum stand Version 2.0 des Systems im Raum, wurde schnell klar, dass sich einige der bisher verkauften Geräte überhaupt nicht auf die neueste Version bringen lassen. Vom PC her ist aber jeder halbwegs mündige Konsument gewohnt, dass ein Gerät mindestens einen Update-Zyklus mitmachen muss, bevor es obsolet wird, wobei schon das eine der vielen kalkulierten Zumutungen der IT-Konzerne gegenüber ihrer Kundschaft darstellt. Bei der Entwicklungsgeschwindigkeit, die Googles Android-Mannschaft an den Tag legt, steht der Konsument jedoch bereits nach sechs Monaten mit einem komplett veralteten System da, das sich nicht mehr auf die interessantesten Features aktualisieren lässt. Der Mobilfunkvertrag läuft dann aber noch 18 Monate. Danke, Industrie.

Stolpernde Megakonzerne
Dass man angesichts dieses Gepurzels von der subtilen Qualität einer Massenszene in einem Marx-Brothers-Film dennoch keinerlei schmutziges Kichern seitens des wichtigsten Zuschauers - nämlich Googles Erzfeind Microsoft - vernimmt, ist kaum verwunderlich. Schließlich mutet Android schon in der ersten Generation wesentlich attraktiver an als Windows Mobile in der 6,5ten Iteration - entsprechend erfolgreich ist das Schrumpf-Windows dann auch auf dem Mobilmarkt, und das bei jahrelanger Präsenz, zähester Weiterentwicklung und hartnäckigstem Monopolisten-Beistand. Übler sind da nur noch die alten Platzhirsche des Mobiltelefonmarkts dran, die von RIM und Apple nach allen Regeln der Kunst fertiggemacht werden.

Es scheint auch nichts einfacher zu sein, als genau das zu tun. Denn Nokia unterhält mit Symbian und Maemo gleich zwei verschiedene Smartphone-OS-Reihen und verwirrt die Kundschaft damit fast so effizient wie Google, das mit Android und Chrome OS ebenfalls zwei getrennte Systeme für den Mobilbereich entwickelt und damit nicht nur Arbeitsplätze für Entwickler, sondern auch für sehr kreatives Marketingpersonal schafft, das dann der verblüfften Fachwelt die feinen Unterschiede erklären darf. Fragt sich nur, wie sicher diese Jobs dann sind. 2010 werden wir es herausfinden. Garantiert.

Mehr dazu findest Du auf fuzo-archiv.at





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